BENU COUTURE
Die ganze Geschichte von BENU COUTURE
Ein Spaziergang in den Wäldern im hohen Norden von Luxemburg. Es ist wunderschön, die Vögel zwitschern - da, ein Reh zwischen den Bäumen! Und dann … ja, dann kracht die Hose. Urplötzlich und ohne Vorwarnung. Meine Jeans, noch keine 10 Jahre alt (hehe), reißt nicht etwa an der Naht, sondern mittendrin. Mir ist gleich klar, dass es nicht mit ein, zwei Nahtstichen getan ist.
In diesem Augenblick beginnt die Geschichte von BENU.
Welche Optionen bieten sich mir? Erst ein paar Tage zuvor hatte ich mir eine verdeckte Reportage von französischen Investigativjournalisten in einer großen Textilproduktionsstätte in Asien angesehen. Ich war fassungslos und musste viel weinen beim Anblick von Schlägen mit dem Holzknüppel, weil die Arbeiterin mit ihrer Nachbarin gesprochen hatte. Zweimal am Tag, innerhalb von 10 Arbeitsstunden, dürfen sie zur Toilette. Sprechen ist nicht erlaubt wegen der dann vermeintlich reduzierten Konzentration und Arbeitsgeschwindigkeit. Alles das, damit wir Hosen im Wühltisch für 15 € finden? Sind wir denn noch alle bei Trost?
Klar ist, dass eine neue Hose aus dem Laden an der Ecke nicht in Frage kommt. Also dann lieber eine Hose mit Label, Bio, irgendeine vermeintliche Nachhaltigkeit, OekoTex, Fairtrade …?
Ich habe in meinem Leben gelernt, keinem Label ohne Analyse zu vertrauen. Sämtliche Textillabels, sogar die besten, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir insbesondere bei der Produktion von Kleidern, inklusive Anbau und Weiterverarbeitung, weltweit auf dem Holzweg sind.
Kinderarbeit
Gute Labels garantieren, dass die jüngsten Kinder nicht mitarbeiten dürfen, die etwas weniger jungen Kinder aber schon. Medienwirksam wird dies angekündigt mit "Keine Kinderarbeit". Was aber bedeutet diese Aussage konkret? Beispiel Bangladesh: Wenn in Bangladesh Kinder "erst" ab 12 Jahren mitarbeiten, kann das Kleidungsstück die höchst angesehenen Labels wie etwa GOTS (Global Organic Textile Standard, global-standard.org ) und IVN (Internationaler Verband der Naturtextilwirtschaft naturtextil.de ) erhalten.
Ressource Trinkwasser
Die anderen gewährleisten, dass viel weniger Wasser beim Anbau verbraucht wird. Die optimistischsten und strengsten davon gehen jedoch immer noch von einem Frischwasserverbrauch von knapp 1.000 Litern für ein T-Shirt aus.
Kurzum, neue Ware hinterlässt immer einen großen bis enormen, nicht akzeptablen sozio-ökologischen Abdruck in unserer Welt.
Recycling
Wie sieht es mit Recycling-Kleidern aus, also Kleidung, die nicht aus neuem Garn mit neuen Farben hergestellt wurden? Nach intensiver Recherchearbeit habe ich feststellen müssen, dass die Begriffe "Recycling" im Allgemeinen und "Textilrecycling" im Speziellen doch sehr großzügig und oftmals bewusst wenig präzise benutzt werden.
Trotz langer Recherche und Gesprächen mit Experten/innen und Fachleuten der Industrie war es mir schlicht unmöglich, recycelte Kleider zu finden. Gründe dafür gibt es viele: Europa lässt es zu, das Verbrennen von Kleidern als "Recycling" zu bezeichnen (Fachbegriff: thermoenergetisches Recycling). Auch das Schreddern von Kleidern wird als "Recycling" bezeichnet, wenn wir beispielsweise Isolationsmatten für die Automobilindustrie produzieren. Obwohl die Qualität der Matten niedriger ist als die der ursprünglichen Kleider und die Matten darüber hinaus nur ein einziges Mal genutzt werden. Danach sind sie Müll.
Die spezialisierte Industrie erklärt mir, dass die Kleider schlicht und ergreifend aus zu vielen unterschiedlichen Stoffqualitäten bestehen, die ein (sorten-)reines Recycling unmöglich machen. Im besten Fall, und das ist der aktuelle Stand der Technik, müsse dem Recyclinggut etwa die 3- bis 4-fache Menge an frischem Polyester (ein aus Öl gewonnener Plastikstoff) zugegeben werden, um es zu stabilisieren. Also noch mehr Mikroplastik im Abwasser, noch mehr Mischfasern, die ein späteres Recycling noch schwerer machen?
Sieht so die grüne Zukunft der Kleider aus?
Nein. Lasst uns endlich aufhören, uns etwas vorzumachen. Kleiderrecycling existiert de facto nicht. Der Begriff wird konsequent von Politik und Industrie missbraucht, um entweder unsachlich zu argumentieren oder ein gutes Gewissen herbeizureden. Das ist unappetitlich, suggestiv und unehrlich.
Also doch kein Label, kein Recycling. Meine Frage bleibt unbeantwortet: woher nehme ich eine andere Hose, ohne dabei Menschen oder unsere Umwelt leiden zu sehen?
Ich meine es ernst mit der Nachhaltigkeit. Ich suche nach einer Lösung, die sozial und ökologisch gerecht ist. Eine (vielleicht kleine) Antwort auf die ernstesten Themen unserer Zeit: soziale Gerechtigkeit und Ausweg aus der Klimakrise die uns alle erwartet. Eine Hose also, mit einem sozio-ökologischen Fußabdruck nahe Null.
Altkleider
Wie sieht es mit Altkleidern aus, woher stammen sie und wohin gehen sie, wie werden sie weiter genutzt? Dieser Frage habe ich mich intensiv gewidmet, habe Zahlen aus ganz Europa ausgewertet, Berichte und Analysen aus internationalen Quellen studiert. Das Ergebnis ist so einfach wie ernüchternd:
Die Welt erstickt in Altkleidern. Luxemburg sammelt jedes Jahr knapp 10.000 Tonnen. Diese Menge entspricht knapp 42 Millionen T-Shirts, gesammelt von einer Bevölkerung von etwa 640.000 Menschen. Allein in der Bundesrepublik Deutschland entsorgen die Menschen 150.000 kg Kleider. Jede einzelne Stunde. 24 Stunden am Tag. 365 Tage im Jahr. Unsere Altkleider landen zu 1,7% bei bedürftigen Menschen. In anderen Worten: nein, wenn wir unsere Kleider in den Container der Wohltätigkeitsorganisation werfen, helfen wir definitiv nicht dem Kind mit den braunen Kulleraugen, das uns dankend auf dem Container anlächelt. 31% der Kleider werden verbrannt, 36% verkauft in Länder, in denen sie die dort heimische Textilindustrie in den Ruin treiben, 20% werden zu Matten verarbeitet und 10% landen auf dem Second Hand Markt.
Ich lasse das sacken. Fast alle gesammelten Kleider (über 98%) gehen nicht an Arme, an Menschen, die dringend Kleider benötigen. Das ist heftig.
Und dann dämmert es mir, dass genau dies der Ansatzpunkt sein muss für BENU COUTURE. Wenn wir also aus den unzähligen Kleidern, die Menschen weggeben (entsorgen), Teile auswählen, die grundsätzlich von guter Qualität sind, kann ich mir eine neue Hose zusammensetzen. Hierfür benötigen wir qualifizierte Modedesigner:innen und Schneider:innen, die lokal unter anständigen Konditionen arbeiten. Jetzt die gesammelten Kleider lostrennen und die so gewonnenen Stoffteile als Rohstoff für neu entwickelte, moderne Kleider nutzen. Alles lokal, keine unendlichen Transportwege (eine durchschnittliche Jeanshose legt 20.000 km hinter sich, bevor sie in unserem Laden landet). Alles hochwertig. Lebenslange Garantie. Stark reduziertes Auswaschen von Chemieprodukten im Vergleich zu Neuware (etwa 2.400 chemische Produkte kommen im Rahmen der industriellen Textilproduktion zum Einsatz, davon gelten rund 250 als ausdrücklich schädlich für Mensch und Umwelt). Schaffung von lokalen Arbeitsplätzen zu sozial korrekten Bedingungen. So schaffen wir lokal Arbeit, bringen wieder Transparenz in eines der ältesten Handwerke der Welt und bieten, neben dem Gebrauchtkleiderverkauf und dem Vermieten von Kleidern (in Vorbereitung bei BENU COUTURE), die wohl einzige Option zur tatsächlich nachhaltigen Nutzung von Kleidern.
So schlüpft BENU COUTURE aus dem Ei … und hinein ins erste Ökodorf der Großregion, BENU VILLAGE. Denn natürlich ist es uns wichtig, neben dem nachhaltigen Konzept auch eine nachhaltige Arbeitsweise und eine ebenso nachhaltige Arbeitsumgebung zu haben.
Zu unseren Überlegungen und Lösungen sozio-ökologisch nachhaltiger Fragen bei BENU COUTURE findest Du mehr in unserem Kapitel ÜBER BENU COUTURE.. Entsprechende Erklärungen zum Ökodorf und unserer Arbeitsumgebung findest Du auf der Webseite von BENU (benu.lu).